„Ein erhöhtes Risiko für Ihre Augen besteht, wenn Ihr Diabetes bösartig ist“. Diesen Halbsatz las ich vor ein paar Monaten in einem renommierten Info-Blatt zu medizinischen Themen für Laien und wurde stutzig: bösartiger Diabetes? In dieser Kollokation kannte ich das Attribut „bösartig“ eigentlich nicht. Auch nicht auf Arabisch, denn der Satz fand sich in der arabischen Übersetzung der Broschüre. Was war passiert? Aus einem „schlecht eingestelltem Diabetes“ im deutschen Original hatte der Übersetzer im Arabischen einen „bösartigen Diabetes“ gemacht. Das hätte sprichwörtlich ins Auge gehen können, stiftete vermutlich aber einfach Verwirrung anstatt Aufklärung zu ermöglichen. Trotzdem – das Beispiel zeigt: Mangelhafte Übersetzungen können gefährlich sein und mitunter großen Schaden anrichten. Qualitätssicherung ist hier außerordentlich wichtig. Was ist zu beachten, damit Übersetzungen Deutsch Arabisch gelingen?
Zielgruppe und Zweck
Immer wieder bekomme ich missglückte Übersetzungen mit dem Auftrag, sie in einem „Rettungseinsatz“ wieder brauchbar zu machen. Häufig liegt das Problem darin, dass der Übersetzer sich keine Gedanken über Zweck und Zielgruppe der Übersetzung gemacht hat. Das aber kann entscheidend sein. Wenn ich beispielsweise die Imagebroschüre eines mittelständischen Unternehmens ins Arabische übersetze, muss ich einen Sprachstil wählen, der in arabischen Marketingtexten üblich ist und mich dabei vom deutschen Original lösen. Anders bei einem Gesetzestext voller juristischer Termini. Hier kommt es je nach Übersetzungszweck auf die genaue Wortwahl an und gegebenenfalls muss die Übersetzung sogar kommentiert werden. Soweit so gut.
Bei Übersetzungen ins Arabische gibt es aber ein paar Dinge zu beachten, die sich aus den soziolinguistischen Besonderheiten der Sprache selbst ergeben.
Ein Arabisch vom Atlantik bis zum Golf?
Arabisch ist nicht gleich Arabisch. Zwar existiert eine einheitliche schriftliche Hochsprache – das Moderne Hocharabische – die in der gesamten Arabischen Welt als Schriftsprache verwendet wird. Aber aufgrund der großen Ausdehnung des arabischen Sprachraums existieren auch innerhalb dieser gemeinsamen Hochsprache von Land zu Land und von Region zu Region unterschiedliche Bezeichnungen. Zum Beispiel gibt es regional unterschiedliche Wörter für bestimmte Lebensmittel wie „Butter“ und „Jogurt“ oder für Gemüse- und Obstbezeichnungen. Auch andere Alltagsgegenstände wie „Handy“ oder Bezeichnungen von Institutionen und Behörden einzelner Länder können sich unterscheiden. Hier ist es hilfreich, wenn ein Muttersprachler aus der entsprechenden Herkunftsregion der Zielgruppe die Übersetzung Korrektur liest.
Sprachkompetenz und Bildungshintergrund
Zusätzlich kompliziert wird es durch die sogenannte Diglossie: Neben der schriftlichen Hochsprache gibt es arabische Dialekte, die im mündlichen Sprachgebrauch gesprochen werden. Diese Dialekte sind regional zwischen Marokko und den arabischen Golfstaaten höchst unterschiedlich. Das ist aber nicht nur für Arabisch-Dolmetscher sondern auch für schriftliche Übersetzungen relevant, obwohl arabische Texte grundsätzlich auf Hocharabischen verfasst werden.
Zum einen bedeutet die Situation der Diglossie, dass Hocharabisch eine Bildungssprache ist. Viele arabische Muttersprachler erlernen sie erst in der Schule. Wer aber nie oder nur wenige Jahre die Schule besucht hat, wird mit geschriebenen arabischen Texten umso schneller überfordert sein, je komplexer die Thematik und das verwendete Vokabular ist. Hinzu kommt die Hürde der arabischen Schrift, die nur korrekt lesen und verstehen kann, wer die Grammatik des Hocharabischen gut beherrscht.
Das hat Folgen für den Übersetzungsprozess. Soll beispielsweise eine Übersetzung ins Arabische – z.B. ein Informationsblatt für Geflüchtete – möglichst viele arabische Muttersprachler ansprechen, muss ein guter Übersetzer auf eine einfache Sprache frei von komplizierten grammatikalischen Strukturen und mit angepasster Wortwahl achten. Gerade unter jungen Migranten aus Syrien und dem Irak gibt es aufgrund von Krieg und Flucht große Unterschiede, was die Zeiten und die Intensität des Schulbesuchs anbelangt. Auftraggeber von Übersetzungen ins Arabische können hier schon Vorarbeit leisten, indem sie die Ausgangstexte in leichter deutschen Sprache abfassen.
Fachsprache und Interferenzen
Aber auch bei Fachübersetzungen ist die genaue Definition der Zielgruppe unerlässlich. Eine große Herausforderung bei Fachübersetzungen ins Arabische ist, dass es keine einheitlichen arabischen Fachsprachen für verschiedene Fachgebiete gibt. Es fehlt eine normende Instanz mit entsprechender Autorität, die auf eine Vereinheitlichung des Arabischen hinwirken könnte. Gute Fachwörterbücher sind entweder veraltet oder nicht vorhanden. Für den Übersetzer heißt das: recherchieren, recherchieren, recherchieren. Wie wird im Herkunftsbereich der Zielgruppe sprachlich über die jeweilige Thematik geschrieben? Gibt es Paralleltexte? Welches sind die entscheidenden Fachtermini? Und das Ergebnis kann je nach Land, Region oder Bildungshintergrund der Zielgruppe höchst unterschiedlich sein.
Hinzu kommt: Arabische Fachtexte beinhalten häufig Lehnübersetzungen aus dem Englischen oder Französischen. So kann es sein, dass in den arabischen Golfstaaten medizinische Fachttexte bestimmte Termini eher dem Englischen entlehnen, im Maghreb dagegen dem Französischen. Wieder in einem anderen Land gibt es eigenständige arabische Prägungen des Fachvokabulars. Das betrifft beispielsweise Syrien, wo lange Zeit großen Wert auf eine Arabisierung wissenschaftlicher Terminologie gelegt wurde. Auch Bezeichnungen für Behörden und Gerichte, wie sie in beglaubigten Urkundenübersetzungen häufig vorkommen, sind häufig davon geprägt.
Form Follows Function
Zu guter Letzt: Zu einer gelungenen Übersetzung zählt auch die passende Form. Ein Text kann noch so gut übersetzt sein. Wenn er nicht lesbar oder falsch gesetzt ist, war alle Mühe vergebens. Immer wieder sehe ich arabische Übersetzungen, die in kostspieligem Layout in großer Druckauflage vorliegen, bei denen aber ein paar Grundregeln für arabischen Textsatz nicht beachtet wurden. Das bedeutet: Die arabischen Schriftzeichen müssen korrekt gesetzt sein, die Laufrichtung von rechts-nach-links muss beachtet und auch das Layout insgesamt den arabischen Lesegewohnheiten angepasst werden. Die gängigen Textverarbeitungsprogramme sind dazu allerdings nur in der Lage, wenn sie entsprechend konfiguriert werden. Bei vielen DTP-Programmen wie beispielsweise der bei Grafikern beliebter Software wie Adobe InDesign müssen spezielle Versionen oder Plug-ins erworben werden.
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